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FORDERUNGEN Was die Gewerkschaft durchkämpfen will Von Arbeitszeitverkürzung bis Machtkampf in der Sozialversicherung: Der ÖGB rüstet sich beim Bundeskongress für die nächsten fünf Jahre. Bei den Aufwärmübungen waren Babler und Nehammer dabei Der Event startete mit einer Panne. Begrüßungsrednerin Julia Herr hatte es nicht rechtzeitig zu ihrem Auftritt ins Wiener Austria Center geschafft – und zwang die Regie zur Improvisation. Sie sei bei der Anmeldung in der Schlange gestanden, habe sich aber nicht vordrängen wollen, entschuldigte sich die Nationalratsabgeordnete: Von Parteitagen sei sie es nicht gewohnt, dass so etwas pünktlich beginnt. Man merkt den feinen Unterschied: Obwohl sich in der Halle viele prominente Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten tummelten, war an diesem Dienstagvormittag nicht die SPÖ die Gastgeberin, sondern die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) – eine Aufwärmübung für das größere Ereignis im Anschluss: Von Dienstagabend bis Donnerstag begeht der ÖGB seinen Bundeskongress, um Programm und Führungsteam zu beschließen. Führungswechsel in Rot und Schwarz Im Gewerkschaftsbund dominieren die Sozialdemokraten zwar auch, allein sind sie aber nicht. In einer von sieben Teilgewerkschaften, jener für den öffentlichen Dienst, haben die Christgewerkschafter (FCG) die Führung inne. Beide Fraktionen wählten rechtzeitig vor dem Kongress neue Vorsitzende: In der FSG löst der Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch den „Metaller“ Rainer Wimmer ab, in der FCG Romana Deckenbacher den 17 Jahre lang amtierenden Norbert Schnedl. An der für Donnerstag angesetzten Wiederwahl von Wolfgang Katzian zum ÖGB-Präsidenten wird es ebenso wenig zu rütteln geben, doch die Gewerkschaft will auch inhaltlich Weichen stellen. Einige „Highlights“ aus dem geplanten Programm. Rückreform der Sozialversicherung: Der ÖGB will zwar die Fusion der Krankenkassen zur ÖGK nicht widerrufen, aber die Machtverhältnisse wieder umdrehen. ÖVP und FPÖ hatten das Gewicht innerhalb der Sozialversicherung zu den Arbeitgebervertretern verschoben – was die Gegenseite als Anschlag auf die Selbstverwaltung durch die Versicherten interpretierte. Diese Nuancen ändern nichts daran, dass die FSGler den eingeladenen Babler mit minutenlangen Standing Ovations begrüßten. Der Neo-Parteichef erwiderte die Schmeicheleien prompt. Er werde der Gewerkschaft nie vergessen, was diese für seinesgleichen getan habe. Vom Werksbad bis zum eigenen Schwimmbad sei für die Familien der Beschäftigten der Semperit-Reifenfabrik im heimatlichen Traiskirchen unendlich viel erreicht worden. „Wir waren stolze Arbeiterkinder, weil wir Rechte hatten und teilnehmen konnten.“ Sein Herzenswunsch? Dass jedes SPÖ-Mitglied auch der Gewerkschaft beitritt. Pflichtschuldig griff Babler eine ÖGB-Forderung nach der anderen auf, garniert mit einem Best-of seiner Mutmacher-Rhetorik: „Wir sind keine Bittsteller.“ Den Vorwurf des Extremismus lässt er sich hingegen nicht umhängen: Radikal sei vielmehr die ÖVP, wenn sich ihre Großspender nach Gutdünken am Staatsbankomaten bedienen dürften. Das Gegenprogramm bot Karl Nehammer als Gast bei der FCG. Kein Land oder Volk, das sich dem Marxismus verschrieben habe, sagte der Bundeskanzler und ÖVP-Chef in Anspielung auf den neuen Konkurrenten, „war jemals glücklich regiert oder konnte sein Glück frei entfalten.“ Oder, in den Worten von ÖVP-Klubchef August Wöginger: „Vermeiden wir, dass ein Kommunist, ein Marxist oder ein rechtsextremer Populist an die Spitze des Staates kommt.“ |
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000175389/was-die-gewerkschaft-durchkaempfen-will vom 20.06.2023 um 15:46 Uhr