STRUKTURREFORM
Welche Bereiche im Gesundheitssystem gerade heiß diskutiert werden
Den Aufnahmetest fürs Medizinstudium zu ändern wäre für Minister Rauch eine „kleine Schraube“. Weitere Gespräche über Strukturreform laufen
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will über eine grundlegende Strukturreform des Gesundheitssystems sprechen und sich dafür mit Vertretern der Bundesländer, der Ärztekammer und der Sozialversicherung an einen Tisch setzen. „Lasst uns doch übers Gesamtsystem reden und nicht an einer kleinteiligen Schraube drehen“, sagte Rauch am Dienstag im Ö1-„Morgenjournal“, als er zu etwaigen Änderungen der Aufnahmeprüfungen fürs Medizinstudium gefragt wurde. Es kursiert der Vorschlag, Medizin-Interessierte ein Jahr als Pflegekraft im Spital zu verpflichten, bevor sie studieren dürfen. Ärztekammer und Rauch sind zwar dagegen, wären aber für andere Testmodalitäten offen.
Derlei ist in Planung: Die Medizin-Unis seien dabei, für künftige Aufnahmetests einen eigenen Block zu „Social Skills“ zu erarbeiten, heißt es aus dem Büro von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP). Ob diese Tests nächstes Jahr schon gemacht werden, ist noch nicht fix.
Auch weit größere Themenblöcke zum Gesundheitssystem stehen auf der Agenda, unter anderem:
Finanzierung
Als sich die Landesgesundheitsreferenten vor rund zwei Wochen in Wien trafen, teilten sie mit, dass sie eine „neue Finanzierungsschiene“ im Gesundheitssystem wollen: eine neue Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung. Laut Büro Rauch finden dazu laufend Gespräche statt.
Grob gesagt sind die Länder für das Spitalswesen zuständig und die Sozialversicherungen für den ambulanten Bereich. Wobei die Sozialversicherungen für den Spitalsbereich auch einen Pauschalbetrag zahlen, der jährlich valorisiert wird. Die tatsächlichen Kostensteigerungen seien laut Ländern aber höher. Das aktuelle System führt dazu, dass Patientinnen und Patienten zwischen dem niedergelassenen und dem Spitalssektor beziehungsweise zwischen ambulantem und stationärem Bereich hin- und hergeschoben werden. Rauch nannte den Ländervorstoß „bemerkenswert“. Zeitliches Ziel der Länder wäre der nächste Finanzausgleich (der aktuelle gilt bis inklusive 2023).
Ärztinnen und Ärzte auf Kasse
Es gibt Regionen in Österreich, in denen es schwierig ist, Medizinerinnen und Mediziner für Kassenverträge zu gewinnen. Das Problem wächst durch Pensionierungen. Die Länder steuern teilweise mit Initiativen gegen. Minister Rauch erhofft sich unter anderem mehr Interesse an der Allgemeinmedizin durch die Aufwertung zum Facharzt. Darauf haben sich Ministerium, Länder, Kammer und Sozialversicherung bereits geeinigt. Die Aufwertung und eine damit einhergehende zweijährige Lehrpraxis sollen Interesse an der Niederlassung wecken.
Leidenschaftlich diskutiert wird oft über das Wahlarztsystem: Da die Zahl der Wahlarztordinationen stark steigt und auf Kasse stagniert, fordert Andreas Huss, derzeit ÖGK-Obmann, unter anderem, dass Wahlärztinnen und Wahlärzte zur E-Card-Anbindung verpflichtet werden sollen und ihnen nicht Verträge mit einzelnen, lukrativeren Kassen (BVAEB, SVS …) möglich sein sollen.
Im niedergelassenen Bereich stockt auch der Ausbau der Primärversorgungszentren. Eine Gesetzesnovelle soll deren Einrichtung erleichtern, allerdings lässt sie schon eine Weile auf sich warten – man sei aber schon weit, heißt es aus Rauchs Büro. Derzeit gibt es 37 statt 75 Standorte österreichweit.
Auch Spitälern fehlt manch ärztliches Personal: Für Mangelfächer wie etwa die Pädiatrie fordert Rauch von den Spitalsträgern kreative Lösungen. Die Länder wollen zum Beispiel, dass der Ausbildungsschlüssel für Kinder- und Jugendpsychiatrie erhöht wird, damit eine Fachärztin vier Assistenzärzte ausbilden darf. Er wurde aber erst heuer auf 1:2 erhöht, daran hält Rauch vorerst fest.
Pflege
Mit der erst kürzlich auf den Weg gebrachten Pflegereform gehen höhere Gehälter einher, und es werden zahlreiche Ausbildungsplätze geschaffen; trotzdem werden bereits von mehreren Seiten weitere Schritte gefordert. Es besteht also viel Diskussionsbedarf. (Gudrun Springer, 8.11.2022)
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