Pflegereform: Nationalrat beschließt sechste Urlaubswoche für Pflegepersonal ab 43

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Pflegereform: Nationalrat beschließt sechste Urlaubswoche für Pflegepersonal ab 43

Pflegende Angehörige erhalten künftig jährlichen Pflegebonus von 1.500 €

Wien (PK) – Der Nationalrat hat heute weitere Teile der im Mai von der Regierung vorgestellten Pflegereform verabschiedet. Unter anderem stimmten die Abgeordneten mehrheitlich dafür, Pflegepersonal ab dem 43. Lebensjahr durch eine zusätzliche – sechste – Urlaubswoche zu entlasten und pflegenden Angehörigen unter bestimmten Voraussetzungen jährlichen Bonus in der Höhe von 1.500 € zu gewähren. Zudem werden künftig alle Pflegekräfte, die in Pflegeheimen Nachtdienste leisten, ein Zeitguthaben von zwei Stunden erhalten. Damit setze man drei weitere große Bausteine der Pflegereform um, betonte Grün-Abgeordnete Bedrana Ribo.

Bei der Opposition stieß das Paket allerdings nur zum Teil auf Zustimmung. Vor allem die SPÖ kritisierte die Maßnahmen als unzureichend. Sie konnte sich mit einem Antrag, Pflegepersonal in die Schwerarbeitspension einzubeziehen, allerdings nicht durchsetzen. Auch weitere, im Zuge der Beratungen eingebrachte Entschließungsanträge der Oppositionsparteien fanden keine Mehrheit. Während SPÖ und FPÖ eine steuerfreie Auszahlung des zugesagten Gehaltsbonus für Pflegekräfte in der Höhe von 2.000 € erreichen wollten, ging es den NEOS um eine umfassende Kostenanalyse des Pflegebereichs in Österreich.

Abseits des Schwerpunkts Pflege wird mit der mehrheitlich beschlossenen Novelle zum Nachtschwerarbeitsgesetz auch der Nachtschwerarbeits-Beitrag, den Arbeitgeber:innen für Nachtschwerarbeit ihrer Beschäftigten leisten müssen, bei 3,8 % der monatlichen Beitragsgrundlage zur Sozialversicherung eingefroren. Nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen hätte er auf 4,7 % der angehoben werden müssen.

Zudem fassten die Abgeordneten auf Initiative der NEOS einstimmig eine Entschließung, die darauf abzielt, die Beantragung eines Behindertenpasses zu erleichtern. Nur wenn kein Foto in bestehenden Datenbanken (z.B. Führerschein, Reisepass) vorhanden ist, sollen die Antragsteller:innen verpflichtet sein, ein Passfoto hochzuladen, urgiert der Nationalrat eine entsprechende technische Lösung.

Sechste Urlaubswoche für Pflegepersonal ab 43

Anspruch auf die als „Entlastungswoche“ konzipierte sechste Urlaubswoche für Pflegepersonal ab 43 werden alle Beschäftigten im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege haben. Das betrifft den gehobenen Dienst, Pflegefachassistent:innen und Pflegeassistent:innen, und zwar unabhängig davon, ob die Tätigkeit in stationären Einrichtungen wie Krankenanstalten und Pflegeheimen oder bei mobilen Diensten verrichtet wird. Auch der Schweregrad der verrichteten Arbeiten oder die Zahl der Dienstjahre sollen keine Rolle spielen. Während einer dreijährigen Übergangsfrist – also bis inklusive 2026 – wird eine finanzielle Abgeltung der Entlastungswoche möglich sein, sofern diese nicht in Anspruch genommen werden kann.

Angehörigenbonus bei niedrigem Einkommen und ab Pflegestufe 4

Den im Bundespflegegeldgesetz verankerten Bonus für pflegende Angehörige in Höhe von jährlich 1.500 € werden anders als ursprünglich geplant nicht nur Personen erhalten, die für die Pflege eines oder einer nahen Angehörigen ab Pflegestufe 4 ihren Job aufgegeben haben oder als pflegende Angehörige bzw. pflegender Angehöriger selbstversichert sind. Er wird auch an Pensionist:innen und Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen ausgezahlt. Voraussetzung dafür ist ein gemeinsamer Haushalt mit der schwer pflegebedürftigen Person und eine seit mindestens einem Jahr dauernde Pflege. Zudem darf ihr eigenes monatliches Durchschnittseinkommen 1.500 € netto nicht überschreiten, wobei die Berechnung dieses Betrags im Sinne einer verwaltungsökonomischen Vollziehung durch einen bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrag auf neue Beine gestellt wurde.

Ausbezahlt werden soll der Bonus in monatlichen Teilbeträgen ab Mitte 2023, wobei den Betroffenen 2023 750 € und ab 2024 1.500 € im Jahr zustehen werden. Der Bonus ist unpfändbar und darf nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden, ab 2025 wird er valorisiert.

ÖVP und Grüne sehen wichtige Reformschritte

Von Seiten der Regierungsparteien begrüßten unter anderem Bedrana Ribo (Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger die beiden Gesetzesvorhaben. Die zusätzliche Urlaubswoche und die einheitlichen Zeitguthaben für Nachtdienste seien wichtige Entlastungsmaßnahmen für das Pflegepersonal, machte Ribo geltend. Auch Quereinsteiger:innen, die erst später in den Pflegeberuf gewechselt sind, oder Betroffene mit kurzer Betriebszugehörigkeit würden davon profitieren. Die Zeitgutstunden seien zwar bereits in vielen Pflegeeinrichtungen umgesetzt, erklärte Wöginger, vor allem in kleineren Einrichtungen gebe es sie bis dato aber noch nicht.

Kein Verständnis äußerten Ribo und Wöginger für die Kritik der SPÖ. Die SPÖ hätte über viele Jahre die Möglichkeit gehabt, selbst tätig zu werden, die „roten Sozialminister“ hätten aber in der Zeit ihrer Regierungsverantwortung „nicht viel weitergebracht“, sagte Ribo. Nun würden insgesamt 20 konkrete Reformmaßnahmen umgesetzt und eine Milliarde Euro dafür bereitgestellt.

Zum Angehörigenbonus hielt Wöginger fest, es gehe dabei nicht um eine „Verstaatlichung“ der privaten Pflege wie im Burgenland, wo Privatpersonen, die Pflege leisten, angestellt würden, sondern um ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Betroffenen. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass Personen in Pflegestufe 4 ein monatliches Pflegegeld von 712,70 € bekommen. Dieses sei nicht nur für Sachleistungen gedacht, sondern auch für pflegende Angehörige.

Was den Gehaltsbonus betrifft, betonten Wöginger und Ribo, dass dieser stets als Gehaltsbestandteil und nicht als Einmalzahlung konzipiert gewesen sei. Schließlich solle er auch künftig erhalten bleiben, machte Wöginger geltend. Auf zwei Jahre gerechnet könnten Vollzeitbeschäftigte mit einem zusätzlichen Nettoeinkommen von 1.800 € rechnen. Das könne man nicht schlechtreden, sind er und Ribo sich einig. Zudem wies Wöginger auf weitere im Rahmen der Pflegereform beschlossene Maßnahmen wie den Ausbildungsbonus von 600 € und das Pflegestipendium von 1.400 € ab Anfang 2023 hin. Erfreut zeigte sich Wöginger auch, dass das Pilotprojekt Pflegelehre bald in allen neun Bundesländern starten könne. Auch Wögingers Fraktionskollegen Ernst Gödl und Elisabeth Scheucher-Pichler orten „extrem gute und wichtige Reformschritte“.

Divergierende Standpunkte zum Thema Schwerarbeitspension

Die Forderung der SPÖ nach Einbeziehung von Pflegepersonal in die Schwerarbeitspension bezeichnete Ribo als „unseriös“. Frauen kämen nur sehr selten auf jene 45 Erwerbsjahre, die für den Bezug einer Schwerarbeitspension nötig wären, sagte sie. Auch das Anliegen der SPÖ, Schul- und Ausbildungszeiten in Pflegeberufen künftig als Versicherungszeiten anzurechnen, hält sie für nicht umsetzbar. Würde man Ausbildungszeiten nur bei der Pflege anrechnen, wäre das verfassungswidrig, warnte sie. Auch NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler hält nichts von der Forderung der SPÖ in puncto Schwerarbeitspension: Ihrer Meinung nach wäre es wichtiger, die Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal zu verbessern.

Für die SPÖ ist hingegen klar, dass Pflege und Betreuung wegen der direkten Arbeit mit kranken oder pflegebedürftigen Personen bzw. Menschen mit Behinderung sowie wegen der Arbeitsbedingungen Schwerarbeit sind. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch bedauerte in diesem Sinn die Ablehnung der Initiative seiner Fraktion.

SPÖ: Pflegemilliarde ist „Etikettenschwindel“

Auch insgesamt ist die SPÖ mit der Pflegereform unzufrieden. Es handle sich nicht um eine Pflegereform, sondern bestenfalls um ein „Pflegereförmchen“, sagte Abgeordneter Christian Drobits. Muchitsch sprach gar von einem „Pflegepfusch“. Ein Bonus von knapp über vier Euro pro Tag für pflegende Angehörige sei keine Wertschätzung, sondern eine „Verhöhnung“ der Betroffenen, meinte er. Zudem werde durch die restriktiven Auflagen nur ein Viertel der pflegenden Angehörigen vom Bonus erfasst. Vor allem, dass ein gemeinsamer Haushalt mit der pflegebedürftigen Person und Pflegestufe 4 nötig sind, ist für die SPÖ nicht nachvollziehbar.

Muchitsch bezeichnete die Pflegemilliarde zudem als „Etikettenschwindel“. So fließe rund die Hälfte der für den Gehaltsbonus bereitgestellten Mittel durch Steuern und Abgaben wieder an den Staat zurück. Statt des angekündigten Bonus von 2.000 €, würden die Betroffenen netto lediglich zwischen 720 € und 1.200 € erhalten. Zudem habe man nicht alle Berufsgruppen im Pflege- und Betreuungsbereich einbezogen. So würden etwa OP-Schwestern den Bonus bekommen, OP-Assistent:innen aber nicht. In diesem Sinn forderte die SPÖ nicht nur eine steuerfreie Auszahlung des Bonus, sondern auch ein Ausweitung auf andere Gesundheitsberufegruppen wie Physiotherapeut:innen, Labormitarbeiter:innen und Hebammen.

FPÖ hält Angehörigenbonus für unzureichend

Kritik am Paket kam auch von der FPÖ. Es würden heute zwar durchaus einige sinnvolle Schritte im Pflegebereich beschlossen, meinten Peter Wurm und Gerhard Kaniak, ihrer Ansicht nach gehen diese aber nicht weit genug. So wertete Wurm etwa den Angehörigenbonus als unzureichend. Wer 1.550 € verdiene, gehe leer aus. Zudem würden viele wohl am Kriterium des gemeinsamen Haushaltes scheitern, zumal nahe Angehörige oft im Nebenhaus oder in einer anderen Wohnung im selben Gebäude wohnten.

FPÖ-Abgeordneter Christian Ragger äußerte zudem die Befürchtung, dass 125 € monatlich kein Anreiz sein werden, pflegebedürftige Menschen zu Hause zu pflegen. Die Kosten der öffentlichen Hand für einen Platz im Pflegeheim seien mit 3.500 € bis 5.000 € aber deutlich höher.

Kaniak wies in diesem Zusammenhang auf die schwierige Personalsituation im Pflegebereich hin, die sich seiner Meinung nach auch durch die Corona-Politik der Regierung verschärft hat. Das Personal sei mit Tests, „Impfzwang“ und Maskenpflicht „schikaniert worden“, was dazu beigetragen habe, dass viele den Beruf verlassen hätten, beklagte er. Nun stünden ganze Stockwerke in Pflegeheimen leer bzw. könnten neue Heime gar nicht eröffnet werden, weil Personal fehle. Wie für die SPÖ ist es außerdem auch für die FPÖ unverständlich, dass der vom Bund finanzierte Gehaltsbonus für Pflegepersonal nicht steuer- und abgabenfrei ausgezahlt wird. Versprochen worden seien „2.000 € netto bar auf die Hand“, ist sich Wurm sicher.

NEOS: Angehörigenbonus wird Missstände im Pflegebereich nicht beseitigen

NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler machte geltend, dass der Angehörigenbonus bestehende „Missstände“ im Pflegebereich nicht beseitigen werde. Es brauche mehr mobile Pflege und professionelle Angebote, bekräftigte sie. Zudem brauche es „ordentliche Personalreserven“ in stationären Einrichtungen und die Belohnung von Weiterbildung. Fiedler drängte zudem auf eine umfassende Kostenanalyse des Pflegebereichs und brachte dazu einen Entschließungsantrag ein. Zwar sei der „Pflegenotstand“ in aller Munde, kaum jemand wisse aber, wie viel das heimische Pflegesystem tatsächlich koste, heißt es in der Begründung.

Während dieser Entschließungsantrag in der Minderheit blieb, wurde der Vorstoß der NEOS in Sachen Behindertenpass einhellig angenommen. Grün-Abgeordnete Ribo hob in diesem Zusammenhang hervor, dass die Heranziehung eines Fotos aus bestehenden Datenbanken auch für die Verwaltung Erleichterungen bringen werde. Schließlich würden jährlich rund 35.000 Menschen einen Behindertenpass beantragen.

Rauch: Nachfrage nach Pflegeausbildung steigt

Sozialminister Johannes Rauch hob hervor, dass die Entlastungswoche für Pflegepersonal und die Nachtgutstunden ein wesentlicher Fortschritt seien. Zudem dürfen die Nachtgutstunden ihm zufolge künftig nicht mehr auf die sechste Urlaubswoche angerechnet werden, wie dies derzeit in manchen Kollektivverträgen der Fall sei.

Zur Kritik der SPÖ merkte Rauch an, diese habe jahrzehntelang Zeit gehabt, im Bereich der Pflege Reformen in der Qualität umzusetzen, in der sie jetzt vorliegen. „Sie haben es nicht hergebracht“, sagte er. Dagegen nehme die jetzige Regierung 1 Mrd. € in die Hand. Rauch ist außerdem überzeugt, dass der Gehaltsbonus für Pflegepersonal in Form eines regelmäßigen Gehaltsbestandteils dauerhaft erhalten bleiben wird. Das werde man im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen sicherstellen. Auch was die Gewinnung von zusätzlichem Pflegepersonal betrifft, ist er angesichts des im Sommer beschlossenen Ausbildungszuschusses und des Pflegestipendiums zuversichtlich. Die Nachfrage steige bereits, betonte der Minister.

Ex-Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) wollte die Kritik an seiner Partei allerdings so nicht stehen lassen: Er verwies unter anderem auf die Abschaffung des Pflegeregresses sowie die Einrichtung des Pflegefonds und die Einführung von Pflegkarenz und Pflegeteilzeit unter sozialdemokratisch geführten Regierungen.

Nurten Yilmaz legt Mandat zurück

SPÖ-Abgeordnete Nurten Yilmaz nutzte die Debatte für ihre Abschiedsrede. Sie habe immer gesagt, mit 65 Jahren sei Schluss, kündigte sie ihr Ausscheiden aus dem Hohen Haus an. Ein Mandat sei nur geborgte Macht und es sei Zeit, die Fackel weiterzugeben und die Schlüssel abzugeben.

An ihre Abgeordneten-Kollegen appellierte Yilmaz, mehr Selbstbewusstsein zu zeigen und „widerständig“ zu sein, zumal der Job „keine leichte Hack’n“ sei. „Gewählt sind Sie“ und nicht die Regierung, betonte sie. Ihr sei es außerdem immer ein Anliegen gewesen, das Miteinander und den Zusammenhalt zu stärken und jenen, die im Leben einmal „stolpern“, die Hand zu reichen.

Inhaltlich machte sich Yilmaz unter anderem für die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen, die Stärkung der Justiz, mehr Geld für Kindergärten und Ganztagsschulen und für eine bessere Integrationspolitik stark. Mit „rassistischem und nationalistischem Spaltungsgerede“ komme man nicht mehr durch in Österreich, betonte sie mit Hinweis auf die Leistungen von Migrant:innen. Die Leistungsträger:innen im Land hätten „viele Herkünfte“, so Yilmaz. Auch ein eigener Ausschuss für Integration und Teilhabe im Nationalrat ist ihr ein Anliegen. Für ihre Worte erhielt Yilmaz zum Teil Standing Ovations, auch der vorsitzführende Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer wünschte ihr alles Gute für die Zukunft. (Fortsetzung Nationalrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

Quelle: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221214_OTS0183/pflegereform-nationalrat-beschliesst-sechste-urlaubswoche-fuer-pflegepersonal-ab-43 mit Stand 15.12.2022 um 07:02 Uhr

Welche Bereiche im Gesundheitssystem gerade heiß diskutiert werden

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STRUKTURREFORM

Welche Bereiche im Gesundheitssystem gerade heiß diskutiert werden

Den Aufnahmetest fürs Medizinstudium zu ändern wäre für Minister Rauch eine „kleine Schraube“. Weitere Gespräche über Strukturreform laufen

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) will über eine grundlegende Strukturreform des Gesundheitssystems sprechen und sich dafür mit Vertretern der Bundesländer, der Ärztekammer und der Sozialversicherung an einen Tisch setzen. „Lasst uns doch übers Gesamtsystem reden und nicht an einer kleinteiligen Schraube drehen“, sagte Rauch am Dienstag im Ö1-„Morgenjournal“, als er zu etwaigen Änderungen der Aufnahmeprüfungen fürs Medizinstudium gefragt wurde. Es kursiert der Vorschlag, Medizin-Interessierte ein Jahr als Pflegekraft im Spital zu verpflichten, bevor sie studieren dürfen. Ärztekammer und Rauch sind zwar dagegen, wären aber für andere Testmodalitäten offen.

Derlei ist in Planung: Die Medizin-Unis seien dabei, für künftige Aufnahmetests einen eigenen Block zu „Social Skills“ zu erarbeiten, heißt es aus dem Büro von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP). Ob diese Tests nächstes Jahr schon gemacht werden, ist noch nicht fix.

Auch weit größere Themenblöcke zum Gesundheitssystem stehen auf der Agenda, unter anderem:

Finanzierung
Als sich die Landesgesundheitsreferenten vor rund zwei Wochen in Wien trafen, teilten sie mit, dass sie eine „neue Finanzierungsschiene“ im Gesundheitssystem wollen: eine neue Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung. Laut Büro Rauch finden dazu laufend Gespräche statt.

Grob gesagt sind die Länder für das Spitalswesen zuständig und die Sozialversicherungen für den ambulanten Bereich. Wobei die Sozialversicherungen für den Spitalsbereich auch einen Pauschalbetrag zahlen, der jährlich valorisiert wird. Die tatsächlichen Kostensteigerungen seien laut Ländern aber höher. Das aktuelle System führt dazu, dass Patientinnen und Patienten zwischen dem niedergelassenen und dem Spitalssektor beziehungsweise zwischen ambulantem und stationärem Bereich hin- und hergeschoben werden. Rauch nannte den Ländervorstoß „bemerkenswert“. Zeitliches Ziel der Länder wäre der nächste Finanzausgleich (der aktuelle gilt bis inklusive 2023).

Ärztinnen und Ärzte auf Kasse
Es gibt Regionen in Österreich, in denen es schwierig ist, Medizinerinnen und Mediziner für Kassenverträge zu gewinnen. Das Problem wächst durch Pensionierungen. Die Länder steuern teilweise mit Initiativen gegen. Minister Rauch erhofft sich unter anderem mehr Interesse an der Allgemeinmedizin durch die Aufwertung zum Facharzt. Darauf haben sich Ministerium, Länder, Kammer und Sozialversicherung bereits geeinigt. Die Aufwertung und eine damit einhergehende zweijährige Lehrpraxis sollen Interesse an der Niederlassung wecken.

Leidenschaftlich diskutiert wird oft über das Wahlarztsystem: Da die Zahl der Wahlarztordinationen stark steigt und auf Kasse stagniert, fordert Andreas Huss, derzeit ÖGK-Obmann, unter anderem, dass Wahlärztinnen und Wahlärzte zur E-Card-Anbindung verpflichtet werden sollen und ihnen nicht Verträge mit einzelnen, lukrativeren Kassen (BVAEB, SVS …) möglich sein sollen.

Im niedergelassenen Bereich stockt auch der Ausbau der Primärversorgungszentren. Eine Gesetzesnovelle soll deren Einrichtung erleichtern, allerdings lässt sie schon eine Weile auf sich warten – man sei aber schon weit, heißt es aus Rauchs Büro. Derzeit gibt es 37 statt 75 Standorte österreichweit.

Auch Spitälern fehlt manch ärztliches Personal: Für Mangelfächer wie etwa die Pädiatrie fordert Rauch von den Spitalsträgern kreative Lösungen. Die Länder wollen zum Beispiel, dass der Ausbildungsschlüssel für Kinder- und Jugendpsychiatrie erhöht wird, damit eine Fachärztin vier Assistenzärzte ausbilden darf. Er wurde aber erst heuer auf 1:2 erhöht, daran hält Rauch vorerst fest.

Pflege
Mit der erst kürzlich auf den Weg gebrachten Pflegereform gehen höhere Gehälter einher, und es werden zahlreiche Ausbildungsplätze geschaffen; trotzdem werden bereits von mehreren Seiten weitere Schritte gefordert. Es besteht also viel Diskussionsbedarf. (Gudrun Springer, 8.11.2022)

Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000140652555/welche-bereiche-im-gesundheitssystem-gerade-heiss-diskutiert-werden , Stand am 16.11.2022 um 7:12 Uhr